Ich war etwa 11 Jahre alt, aufgeweckt und tat so ziemlich alles was ein Kind in den 90er Jahren eben so tat. Mit Freunden rumhängen, Fussballspielen in der Grün80, an der Birs entlang Frisbee spielen, ins Joggeli schwimmen gehen und natürlich, fast schon ehrenamtlich, meinen beiden älteren Geschwistern, regelmässig auf den Keks gehen.
Von Muttenz aus – in Richtung Sulzchopf.

Am Wochenende war es praktisch schon zur Tradition geworden, dass mein Vater mich zu einer Velotour auf den Sulzchopf mitnahm. Er muss damals so um die 45 Jahre gewesen sein, ein gut aussehender, sportlicher und ebenso ein sehr liebevoller Mensch.
Wir fuhren, wie immer auf unseren Mountainbikes von Muttenz in Richtung Sulzchopf hoch. Mein Vater war sehr eitel und stolz. Um mir zu zeigen bzw. zu beweisen, dass er immer noch locker mit der Jugend mithalten konnte, kämpfte er bei jeder Steigung damit, diese zu bewältigen ohne sich dabei vom Sattel erheben zu müssen. Das gelang im fast auch jedes Mal.
An einem besonderen Samstag im Juni 1991 war jedoch alles anders. Mein Vater grinste seit dem Start unserer Velotour die ganze Zeit, fast schon geistig abwesend vor sich hin. Auch an einem sportlichen Kräftemessen, als wir an der ersten Steigung des Berges ankamen, liessen ihn an diesem Tag völlig kalt. Mit seinem Dauergrinsen im Gesicht erlangten wir endlich den Gipfel.Während wir bei schönstem Wetter den beeindruckenden Ausblick vom Sulzchopf auf Basel genossen, wandte sich mein Vater zu mir hin, deutete mit der Hand auf Basel und sagte auf englisch: „Listen, that`s the most beautiful city in the world. You are so lucky to live here, so enjoy it“. Völlig verwundert, überrascht und erstaunt darüber, warum er plötzlich auf englisch mit mir sprach, was er ja sonst nie machte, bestätigte ich seine Aussage nur mit einem kurzem, aber fragenden Kopfnicken.
Dies hielt mich jedoch nicht davon ab, mich von seiner äusserst guten Laune anstecken zu lassen. Ich kostete den wunderschönen Ausblick auf Basel und Region nun ebenfalls mit einem stolzen grinsen im Gesicht aus.
Die Rückfahrt genossen wir, indem wir gemütlich und langsam zurück nach Muttenz fuhren. Zuhause angekommen erfuhr ich von meiner Mutter endlich den Grund für die gute Laune meines Vaters. Während des Abendessens erzählte sie, dass mein Vater, der damals an der Kunstmesse Art Basel arbeitete doch tatsächlich eine Begegnung mit den Hollywood-Legenden Elisabeth Taylor und Audrey Hepburn hatte. Natürlich wollte ich nun mehr wissen und fragte, was sie zu ihm gesagt hätten. Mein Vater schaute mich an, lächelte und sagte: „Listen, that`s the most beautiful city in the world. You are so lucky to live here, so enjoy it“.
Der Sulzchopf ist ein stadtnaher Aussichtspunkt in Muttenz BL mit einem eindrücklichen Panorama.
Irgendwie fühlte sich das Abendessen jetzt plötzlich wie ein lustiges und fröhliches “Frühstück bei Tiffany“ an – und ich hätte schwören können, irgendwo am Tisch sass auch noch „Cleopatra“.
